Unser Umgang mit Kindern: Bedürfnisorientiert vs verhaltensorientiert
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Unser Umgang mit Kindern: Bedürfnisorientiert vs verhaltensorientiert

„Kindererziehung Nein Danke“ ist nun seit ca. 2 Jahren unser Credo. Wir sind also noch Neulinge, stolpern mehr auf unserem auserwählten Pfad weg von der verhaltensorientierten Erziehung hin zur bedürfnisorientierten Begleitung. Wir lernen jeden Tag dazu und sind mittlerweile absolut positiv überrascht – es geht tatsächlich auch ohne schreien, schimpfen und strafen.

Nachdem ihr auf unserem Blog unterwegs seid, habt ihr vielleicht auch den Verdacht, dass die klassische Lob-und-Tadel-Erziehung euren Kindern nicht gut tut.

Uns ging es ebenso. Als unser Großer etwa 2,5 Jahre alt war, beschlich uns immer mehr das Gefühl, dass wir mit den herkömmlichen Erziehungsmethoden nicht klar kamen, dass sie sich falsch anfühlten. So begannen wir zu recherchieren und Schlagwörter wie „Unerzogen“, „Aware Parenting“, „Friedvolle Elternschaft“ oder „Erziehung ohne Strafe“ kreuzten unseren Weg.

Wir fühlten uns sofort angesprochen. Auch wir wollten nicht mehr schimpfen und strafen, wir wollten uns gut mit unseren Kindern verstehen, mehr ihr Freund und weniger ihr Boss sein. Scheinbar war das möglich.

Wir erfuhren von ungemein vielen Eltern, Familien, Organisationen, die sich seit Jahren mit diesem Thema beschäftigen und es als steinigen, aber erstrebenswerten und vor allem machbaren Weg beschreiben. Am Ende dieses Weges steht eine gute Beziehung mit ihren Kindern, die sich durch Selbstständigkeit, einen gesunden Umgang mit ihren Emotionen und ein gutes Selbstwertgefühl auszeichnen.

So begaben wir uns auch auf diesen Weg. Versuchten und versuchen jeden Tag unser Bestes, die Bedürfnisse unserer Kinder anstatt augenscheinliche Wohlerzogenheit in den Vordergrund zu stellen. Mein Mann unterstützt mich in diese Richtung Gott sei Dank. Auch er ist überzeugt, dass der ständig erhobene Zeigefinger nicht zum erwünschten Ziel führt.

Wir gehen sogar einen Schritt weiter und verzichten mittlerweile gänzlich auf Erziehung. Ja, richtig gelesen. Kinder müssen nämlich nicht „erzogen“ im Sinne von „geformt“ werden. Sie sind schon eine vollständige Persönlichkeit, mit eigenen Wünschen, eigenen Träumen, eigenen Macken und vor allem einem eigenen Willen.

Das Quirks mit dem eigenen Willen

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Ich weiß nicht, was in unserer Gesellschaft schief gelaufen ist, aber viele junge Eltern denken, es ist ihre Pflicht, den Willen ihrer Kinder zu brechen.
„Sonst tanzen sie euch ständig auf der Nase herum!“
„Ihr müsst da mal ordentlich durchgreifen!“
„Nicht immer nachgeben, ihr zieht euch ja einen Tyrannen heran!“
„Kinder brauchen Grenzen!“
„Sie müssen wissen, wer hier das Sagen hat!“

Na, bekannte Worte? Ich höre sie unglaublich oft. Wenn (vor allem ältere, von früheren Erziehungsmustern geprägte) Freunde und Bekannte erfahren, dass unsere Kinder bei uns im Bett schlafen, essen und anziehen dürfen was sie wollen, wir (fast) nichts verbieten und weder schimpfen noch strafen. Aber wisst ihr was? Es ist möglich!

Bevor ich mich mit dem Thema „Unerzogen“ beschäftigt habe, habe ich ebenso geschimpft, geschrien und den Großen auf sein Zimmer geschickt. Meistens dann, wenn er seine damals noch völlig wehrlose (weil nicht mal ein Jahr alte) Schwester drangsaliert hat.

Es fühlte sich schon immer falsch an zu schreien, und auch, ihn an der Hand zu packen und in sein Zimmer zu schleifen. Er hat rasch gelernt – am Anfang wollte er noch regelmäßig raus laufen (zugesperrt habe ich nie), dann fing er an zu verhandeln, kämpfte um jeden Zentimeter, den er über die Schwelle durfte und bald saß er still und brav seine 10 Minuten ab. Still und brav und damit gut erzogen – so wollen wir unsere Kinder doch haben. Ziel erreicht.

Oder?

Soll euer Kind wirklich zu allem Ja und Amen sagen?

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NEIN! Denn stille und brave Ja-Sager-Kinder können später Schwierigkeiten haben, ihren eigenen Weg zu gehen. Sie fressen unglaublich viel in sich hinein, schlucken ihren Ärger hinunter, statt ihn anzusprechen, lernen, dass sie nicht gut genug sind, wie sie sind. Sie verbiegen sich, verraten im schlimmsten Fall ihre eigene Persönlichkeit, um anderen zu gefallen, um dazu zu gehören. (Beim Schreiben dieser Worte läuft mir eine Gänsehaut über den Rücken.)

In den ersten 10 Jahren finden wir das als Eltern wohl sehr angenehm. Doch spätestens im Teenager-Alter, wenn die schützende Nähe der Eltern abnimmt und die Probleme ernster werden, geht es ans Eingemachte. Wird das Zuhause als Schutz gesehen, an dem das Kind stets Vertrauen, Zuspruch und Hilfe erwarten kann? Oder als unliebsamen Ort, der aus Angst vor Zurechtweisung und Strafe lieber gemieden wird? Denn der kurzfristig bequeme Weg, auf dem wir unsere Kinder dazu zwingen, zu tun, was wir wollen, zerstört langfristig die Beziehung zu ihnen.

Das Credo der Bedürfnisorientierung:
„Was will mir mein Kind mit seinem Verhalten sagen? Was braucht es?“ anstatt „Mein Kind muss lernen, wie man sich benimmt!“

Als ich all dies erfahren habe, fragte ich mich: Möchte ich das für mein Kind? Gehe ich diese Risiken ein, nur damit ich jetzt eine weniger mühsame Zeit habe? Damit ich anerkennende Blicke ernte, weil meine Kinder „Bitte“ und „Danke“ sagen?

Befürworte ich Manipulation, Unterdrückung und Erpressung? Denn genau das ist es, was wir unseren Kindern antun!

Was können die schlimmen Folgen der verhaltensorientierten Erziehung sein?

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Verhaltensorientierte Erziehung ist immer einfacher. „Ohne Rücksicht auf Verluste“ werden Kinder mit Lob und Tadel dahin „erzogen“, wo wir sie haben wollen. Folgsam, gesittet und brav.

Doch was passiert, wenn die Kinder erwachsen werden? Wenn wir ihnen physisch und psychisch nicht mehr überlegen sind? Wenn wir sie nicht mehr kontrollieren können weil wir keine Macht mehr über sie haben? Wenn Strafen nichts mehr nützen?

Wie sieht dann der Umgang miteinander aus? Wie findet sich das Kind in der Gesellschaft zurecht? Wie behandelt unser Kind später einmal seine Kinder und damit unsere Enkel?

Distanz zwischen Eltern und Kind

Dem heutigen Wissensstand zufolge ist die Erziehung mit etwa 7 Jahren abgeschlossen. Was davor nicht erreicht wurde, kann nicht nachgeholt werden. So krass würde ich es zwar nicht sehen, aber je mehr Unmut sich über die Jahre anhäuft, je mehr Macht wir ausüben, desto schwieriger wird es, zu Liebe und Vertrauen zurück zu finden.

Wer ständig Angst vor Strafe hat, lernt, sich der Strafe zu entziehen. Meistens jedoch nicht durch das gewünschte Verhalten, sondern durch Verheimlichung und Lüge.

Wer ständig kritisiert wird, lernt, seine Probleme und Misserfolge zu verbergen. Treten nun – auch im Teenager- oder Erwachsenenalter – ernsthafte Schwierigkeiten auf, werden die Eltern in den meisten Fällen außen vor gelassen.

Probleme im Umgang mit Gefühlen

Kinder, die für ihre starken negativen Gefühle wie Wut, Neid oder Angst bestraft wurden, lernen sehr rasch, diese zu ignorieren oder zu verbergen, um anderen zu gefallen. Mit dieser Unterdrückung (englisch: „depression“) geht aber auch das generelle Gespür für die Signale ihres Körpers verloren. Sie wissen irgendwann selbst nicht mehr, was sie wollen.

Verhaltensorientiert erzogene Erwachsene versuchen stets, den Erwartungen von außen gerecht zu werden, ohne auf ihre eigenen Gefühle und Bedürfnisse zu achten. Vielleicht schnellt genau deshalb die Zahl der Burnout-Fälle gerade in ungeahnte Höhen.

Unterdrückte Gefühle können außerdem später Wutausbrüche, Jähzorn, Alkohol- und Drogenmissbrauch und psychische Krankheiten auslösen.

Niedriger Selbstwert

Vor allem in den ersten Lebensjahren ist es unglaublich wichtig, bedingungslose Liebe zu spüren. „Ich liebe dich, so wie du bist, mit all deinen Gefühlsausbrüchen, deinen Fähigkeiten und Eigenheiten“ ist die wichtigste Botschaft, die wir unserem Kind mitgeben können.

Haben die Kinder das Gefühl, von ihren Eltern nicht so angenommen zu werden, wie sie sind, fühlen sie sich nicht richtig. Beteuerungen, dass sie geliebt werden, machen es oft noch schlimmer. Denn die Kinder hören, dass sie geliebt werden, fühlen es aber nicht. Dies führt noch eher zu Selbstzweifel und Selbstablehnung, da Kinder den Fehler immer zuerst bei sich selbst suchen.

Diese Probleme bestehen oft bis ins Erwachsenenalter. Viele Menschen, die als Kind so behandelt wurden, fühlen sich immer noch nicht gut genug und treiben sich zu immer höheren Leistungen an, um ihrem immens hohen Anspruch an sich selbst gerecht zu werden.

Machtausübung und Aggression

Jahrelang wird „dressierten“ Kindern das Recht des Stärkeren vorgelebt. Wer die Macht hat, hat das Sagen. Wenn jemand tun soll, was man möchte, muss man ihm Angst machen. Die Kinder merken sich das natürlich. Es beginnt auf dem Spielplatz, wenn der Kleinere von der Rutsche geschubst wird, wenn die Erwachsenen nicht hinsehen, und endet in häuslicher Gewalt.

Denn diese Kinder haben nie gelernt, friedlich mit Meinungsverschiedenheiten umzugehen bzw. dass man Konflikte auch kreativ und gewaltfrei lösen kann. Und nachdem sich nie jemand um ihre Gefühle Gedanken gemacht hat, nehmen sie auch kaum Rücksicht auf andere.

Diese Kinder werden später vermutlich auch ihre Kinder mittels Lob und Tadel formen wollen – schlichtweg, weil ihnen nie ein anderer Weg aufgezeigt wurde.

Wenn wir uns dessen bewusst sind, können wir den Teufelskreis durchbrechen und die Gesellschaft ein Stück besser machen – lasst es uns zumindest versuchen!

Bedürfnisorientierung ist keine Erziehungs-Methode!

Jeden Tag merke ich, dass der unerzogene Weg der friedvollen, bedürfnisorientierten Begleitung unserer Kinder anstrengend ist! Viel anstrengender als Manipulieren, Strafen und Drohen. So anstrengend, dass ich manchmal auch einfach nicht mehr weiter weiß, weil die Kids einfach NICHT tun wollen, was ich sage! Dann heißt es, trotzdem in Verbindung bleiben, sich selbst regulieren und nicht verzweifeln.

Denn dieser Weg mit dem Fokus auf die Beziehung ist keine Erziehungs-Methode, die funktioniert – und auch die Kinder werden damit nicht „funktionieren“. Es geht um die große Perspektive, eine Idee, die auf den eigenen Werten basiert: Was ist UNS wichtig? Was möchten wir anders machen, als unsere eigenen Eltern? Was möchten wir unseren Kindern für die Zukunft mitgeben? Wie sollen sie später sein und nicht sein? Wie sollen sie uns in 20 Jahren behandeln? Und wie können wir sie auf IHREM Weg bestmöglich unterstützen? Diese Ziele und die grundsätzliche Haltung dahinter tragen uns durch die schwierigsten Momente.

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Bibi F.
Bibi F.
Früher waren es Kundenprojekte - nun begleite ich das tägliche Chaos mit zwei Kindern zwischen Kampfansagen und Kuschelattacken. Vom klassischen Erziehungs-Gedanken habe ich mich längst verabschiedet. Als Berufs-Bloggerin schreibe ich mir im gnadenlos ehrlichen Familienblog Erfahrungen, Einfälle und Emotionen von der Seele.

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