Kinder SIND anstrengend. Eltern an ihre Grenzen zu bringen liegt in ihrer Natur, das ist ihr Job. Unser Geheimnis, um damit umzugehen: Nicht die Kinder, sondern unser Verhalten zu ändern!
Neulich war meine Schwester zu Besuch. Ich erzählte ihr von unserer letzten, erst kürzlich überstandenen Begegnung mit dem End-Gegner Magen-Darm-Virus und berichtete von schlaflosen Nächten, heiß laufender Waschmaschine und Krankenhausaufenthalt. Meine Schwester nickte nur und zeigte den Kindern weiter Videos von ihren Hunden auf dem Handy. Meine Schwester hat keine Kinder. Statt Klettergerüst, Rutsche und Trampolin vereinnahmt ihren Garten ein Gehege für 8 Huskys.
Außerdem meinte sie, mir zuzuhören sei die beste Verhütung. Schluck. Ich bestärkte sie mit meinen Erzählungen also in ihrer Entscheidung, keine Kinder zu bekommen. Unweigerlich kommt dann der Gedanke auf: Sind unsere Kinder tatsächlich so schlimm…?
Weiterlesen
Sind unsere Kinder tatsächlich so schlimm?
Na gut, in manchen Situationen könnte ich schon an die Decke gehen:
- wenn gefühlt jedes Mal, wenn ich kurz nicht hinschaue (weil am Klo, Zähne putzen oder kochen), Tochter weint weil Sohn sie sekkiert
- wenn sie wiederholt jegliche Warnung in den Wind schlagen und am Treppengeländer turnen
- wenn ich meine Lieblingshalskette aus dem Klobesen ausfädeln muss
- wenn sich 20.000 Bügelperlen über den Fußboden ergießen (es waren tatsächlich so viele – stand auf der Packung)
- wenn sich, egal wohin ich trete, ein Legostein in meine Fußsohle bohrt
Aber dann gibt es auch die guten Momente, in denen ich so richtig glücklich bin, Mama zu sein:
- wenn sie am Wochenende in der früh links und rechts an mich gekuschelt noch schlafen während Papa schon Frühstück macht
- wenn sie quietschend und lachend in der Sonne schillernde Seifenblasen fangen
- wenn sie auf dem Weg zum Spielplatz kreischend um die Wette laufen
- wenn sie begeistert Gartenkräuter für den Nudelsalat sammeln und dann drei Schüsseln davon verdrücken (vor allem, weil meine Kochkünste ansonsten eher nicht bis gar nicht honoriert werden)
- wenn sie am Abend „Gute Nacht, Mama, ich hab dich lieb“ sagen
Also: Sind Kinder nun anstrengend?
Überlebenstipps für die Trotzphase
Trotzphase. Autonomiephase. Terrible Twos. Wie auch immer man es bezeichnen möchte, es geht um die Zeit ab ca. 2 Jahren, in der unsere Kinder entdecken, dass sie einen eigenen Willen haben. Nein sagen können – und dies in jeder Situation ausnutzen. Ihr kennt das.
Googelt man hier um Hilfe findet man unzählige Tipps, wie man mit kindlichen Eigenwillen am besten umgeht:
- Will das Kind nicht aufhören zu spielen und ihr müsst los, lasst es zwei Spielsachen ins Auto mitnehmen.
- Wirft es sich im Supermarkt brüllend am Boden weil es keine Schokolade bekommt (der viel zitierte Klassiker), lenkt es ab und zeigt ihm den niedlichen Hundewelpen am Eingang/die bunten Luftballons an der Kassa/die vielen Autos auf dem Parkplatz. (Wir hatten dieses Problem übrigens nie, da unsere Kinder im Supermarkt einfach NIE Schokolade bekamen und deshalb gar nicht auf die Idee kamen, welche zu wollen.)
- Lasst es selbst zwischen dem grünen und dem blauen T-Shirt entscheiden. Dann hat es das Gefühl, seine eigene Wahl getroffen zu haben und das Anziehen wird nicht mehr zum Kampf.
- „Wenn du mitkommst, kriegst du ein großes Eis!“ (Ich war richtig stolz auf meine fast 3jährige Tochter, als diese Bestechungsstrategie der Großeltern bei ihr nicht funktioniert hat. Sie fuhr dann übrigens doch mit. Auch ohne Eis-Versprechen. Weil ich ihr ehrlich die Wahl gelassen habe.)
Wir sehen da nur ein Problem an der ganzen Sache: All diese Strategien sind eigentlich Tricks, unser Kind irgendwie dazu zu bringen, zu tun, was wir möchten. Es also zu manipulieren. Und da schrillen bei uns die Alarmglocken.
Natürlich haben wir auch schon auf diese Tipps zurückgegriffen, vor allem wenn der Erzfeind Zeitdruck ins Spiel kam. Aber wenn immer möglich, beherzigen wir unsere geheime Strategie, die am besten funktioniert: Wir versuchen nicht, das Verhalten unserer Kinder zu ändern, sondern ändern unseres.
Der beste Trick überhaupt: Selber entspannt sein!
Entspannte Eltern haben entspannte Kinder. Dies ist so eine geflügelte Phrase, die man in Beziehungs-Ratgebern, auf Spruchkarten, in Kalendern, etc. immer wieder liest und die wir selber gern nutzen by the way. Denn sie ist so was von wahr. Und sie gilt bei weitem nicht nur für die Trotzphase!
Aus dem Leben gegriffen: Ich war genervt. Ich war auf Arbeitsurlaub bei meinen Eltern. Ich komme immer wieder dort hin, wenn ich länger als zwei Stunden am Stück in Ruhe arbeiten muss. Und dieses Mal hatte in ein Riesen-Arbeitspensum vor mir weil wir gerade total im Umbruch waren (Start von Mehrsprachigkeit der alten und Launch einer neuen Website).
Die Kinder ließen mir an diesem und am vorigen Tag viel weniger Freiraum als erwartet. Ergo, ich war hinten nach, viel mehr als befürchtet. Und dann kam noch dazu, dass ich mit meinem früheren Arbeitgeber verhandelte, ob und wie ich nach zwei Jahren Karenz wieder einsteige. Mein alter Job war weg. Weder die neue Stelle noch die neuen Arbeitszeiten sagten mir zu. Ich war hin und her gerissen zwischen Freiheit dank flexibler Arbeitszeit und sicherem Gehalt.
Wie auch immer, die ganze Geschichte zehrte tierisch an meinen Nerven. Lag mir im Magen im wahrsten Sinne des Wortes, ich hatte seit dem Morgen Bauchweh. Und dann weckte ich unsere Tochter nach 1,5 Stunden Mittagsschlaf, weil sie den Einschlafkrimi auf unbestimmte Zeit verlängern würde, wenn sie noch weiter geschlafen hätte.
Nach dem Aufwachen war sie grantig. Nichts passte ihr. Egal, was es zu essen oder trinken gab, die frische Windel, was ich ihr zum Spielen oder Anziehen brachte – alles wurde lautstark als Katastrophe abgewehrt.
Was war geschehen? Sie wurde aufgeweckt und sie war noch müde. Sie wusste, dass sie bei mir normalerweise Trost fand und Kraft tanken konnte. Stattdessen fand sie meinen Stress und meine Anspannung – was sie natürlich mit noch mehr Unmut quittierte. Der Teufelskreis war erst beendet, als ich die Entscheidung getroffen hatte, auf die Fixanstellung zu verzichten und das zugehörige E-Mail abgeschickt hatte. Dann war mir wieder leichter ums Herz – und ihr auch.
Warum das so ist? Kinder spiegeln uns!
Seit der frühesten Steinzeit sind Kinder darauf angewiesen, in Beziehung mit den Erwachsenen zu treten, angenommen zu werden, zur Gruppe dazuzugehören, denn ohne ihre Fürsorge und ihren Schutz können sie nicht überleben.
Dies machen sie unter anderem durch Nachahmung und spiegeln. Sie ahmen unseren Mimik und unsere Bewegungen nach, werden ruhig wenn wir es sanft wiegen und trösten, lächeln wenn wir lächeln – und schreien wenn wir schreien.
Des Öfteren hörte ich von meinem Großen: „Hörst du jetzt auf damit, das gibt’s ja nicht!“ oder „Wenn das nicht funktioniert bin ich echt sauer!“ Den vorwurfsvollen Ton darin trifft er ebenfalls schon perfekt! Innerlich muss ich lachen, denn er hält uns einfach einen Spiegel vor! Stellt euch vor, ich würde ihn für dieses Verhalten bestrafen – ein Verhalten, dass er von seinen Eltern, den großen Vorbildern, gelernt hat!
Kinder lernen bis zum Erwachsenen-Alter durch Nachahmung. Kinder und Teenies schreien dann in Stresssituationen, fluchen, befehlen, schimpfen und lästern über Gott und die Welt, machen rassistische Witze oder „brauchen ein Glas Wein, um runter zu kommen“.
Das Gemeine daran: Sie spiegeln auch unsere versteckten Emotionen!
Kinder haben extrem feine Antennen. „Das hat die Natur so eingerichtet“, würde unser Sohn sagen. Sie merken sofort, wenn etwas im Busch ist.
Zwischen Mama und Papa kriselt es, es gibt Streit mit den Schwiegereltern, schwere Krankheit in der Familie oder finanzielle Probleme. Sie beobachten, dass Mama und Papa oft „Ja“ sagen, obwohl sie das eigentlich gar nicht wollen und sich danach schlecht fühlen. (Deshalb sagen Kinder übrigens auch oft zu vielem NEIN.) Oder die Eltern sind einfach nur ausgepowert und urlaubsreif. Auch das ist ein großer Grund für fehlende Geduld und innere Unruhe.
Aus welchen Ursachen auch immer, Kinder spüren, wenn wir versteckt frustriert oder angespannt sind. Und spiegeln auch diese Emotionen gnadenlos zurück. Sie sind selbst ängstlich und gestresst, weil es ihren wichtigsten Bezugspersonen nicht gut geht.
Diese Angst und diesen Stress möchten sie abbauen, indem sie sich an uns klammern und unsere Nähe suchen. Sie reagieren unausgeglichen oder aggressiv, sie werden „anstrengend“, „nervig“ oder vielleicht sogar „verhaltensauffällig“.
Noch nie war die Anzahl der mit ADHS diagnostizierten Kinder so hoch wie jetzt. Es war auch die Anzahl der mit Burnout diagnostizierten Erwachsenen noch nie so hoch wie jetzt. Leider hab ich keine Studie gefunden, die hier einen Zusammenhang beweisen würde – aber ich bin mir sicher, es gibt ihn.
Deshalb:
Am besten kommt man durch mühsame Zeiten, wenn man nicht das Kind, sondern sich selbst ändert.
Hier helfen euch vielleicht auch unsere 10 Tipps für den entspannten Umgang mit einem trotzigen Kind.
Unser inneres Kind kennenlernen
Liegt die Ursache für „nerviges“ Verhalten vielleicht bei euch…..? Wenn Kinder „nerven“, hilft oft, genau hinzuschauen. Es gab schon viele Tage, an denen ich mich fragte: Was ist denn los bitte, warum sind sie denn heute SO nervig??? Und dann richtete ich den Blick auf mein eigenes Innenleben: drei Nächte in Folge kaum geschlafen, Halskratzen von einer angehenden Verkühlung, Unmut, weil Papa momentan so viel in der Arbeit ist und schlechtes Gewissen, weil ich selbst zu wenig zum Arbeiten komme.
Nachdem ich meine innere Unruhe erkannt, angenommen und losgelassen habe, waren plötzlich auch die Kinder wieder friedlicher!
Es geht aber auch noch subtiler: Kinder triggern ganz oft unser eigenes inneres Kind. Wurden eure Eltern immer super sauer, wenn ihr euch schmutzig gemacht habt? Musstet ihr aufessen, damit am nächsten Tag die Sonne scheint? Wurdet ihr aufs Zimmer geschickt, wenn ihr frech wart? Wurde euch das Taschengeld gestrichen wenn etwas kaputt ging?
Diese Dinge zu vermeiden wurde dann zur Überlebensstrategie eurer Kindheit – damit euch eure Bezugspersonen lieben. Und euer Spross verhält sich nun ganz und gar nicht so. Das bringt die Ängste von damals wieder ans Tageslicht, vor denen wir unsere Kinder ja schließlich unbedingt bewahren wollen.
Die Ur-Angst: Gefallen zu müssen, damit man geliebt wird.
Macht euch bewusst, dass dies EURE Ängste sind, die ihr zu Unrecht auf eure Kinder projiziert. Denn IHR liebt euer Kind bedingungslos so wie es ist – und lasst es das auch spüren! Was übrigens nicht heißt, immer nett sein zu müssen.
Ich weiß, es ist nicht einfach, denn es geht um das Unbewusste. Viele moderne Eltern wissen genau um die Verfehlungen aus ihrer Kindheit und möchten ihre Kinder bewusst anders behandeln. Trotzdem kommen im Affekt Verhaltensweisen der eigenen Eltern wieder zum Vorschein.
Und wenn euer Kind sich das nächste Mal weigert, sein Zimmer aufzuräumen, nicht aufessen möchte oder dreckverschmiert nach hause kommt? Versucht euch in Erinnerung zu rufen, welche Reaktion ihr euch damals von euren Eltern gewünscht hättet! Die Veränderung, die sich dann in eurem Inneren abspielt, wirkt oft Wunder auf die gesamte Familienatmosphäre.