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Unsere Kinder dürfen essen, was sie wollen
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Unsere Kinder dürfen essen, was sie wollen

Das klingt jetzt mal sehr banal. Und trotzdem führt das Thema Ernährung in vielen Familien zu wiederholten Konflikten zwischen Eltern und Kind. Unsere Erfahrung: Es geht auch hier ohne Verbote, Zwang oder Druck.

Als unser Großer 4 Jahre alt war, kommentierte er den Teller, den ich ihm zum Abendessen vorsetzte, so manches Mal mit den Worten: „Das mag ich nicht. Gib das weg!“ Wurde dem Befehl dann Folge geleistet war die Reaktion: „Gib es noch weiter weg, das riecht so komisch!“

Unsere Kids schaffen es noch, dass ich an meinen Kochkünsten zweifle. Abgesehen davon, dass sie mir immer wieder versichern, dass Papa besser kocht als ich, essen sie mittlerweile kaum mehr etwas anderes als Nudeln, Nockerl oder Knödel, am besten mit Pesto, Käse oder Ketchup. Und ich war schon am Verzweifeln. Denn…

Kinder müssen sich doch gesund ernähren – oder?

Gemüse ist gesund. Allgemein bekannt. Drei Portionen Gemüse und zwei Portionen Obst soll ein Kind jeden Tag essen, um sich ausgewogen zu ernähren und alle wichtigen Nährstoffe für eine gesunde Entwicklung zu erhalten. So die Empfehlung von Experten. Diese Experten müssen selbst sicherlich keine Kinder ernähren, denn WIE SOLL MAN DAS BITTESCHÖN ANSTELLEN???

Eine Zeit lang hat es funktioniert, unseren Kindern püriertes Gemüse als Nudelsoße zu verkaufen. Oder Spinat zu den Nockerln zu machen. Oder Karotten und Gurken-Sticks zum Knabbern anzubieten. Da stoßen wir mittlerweile auch auf taube Ohren bzw. geschlossene Münder. Nicht mal Obst ist momentan interessant.

Teller oder Toast mit lustigen Gemüse-Gesichtern zu verzieren (DER Trick in diversen Food-Blogs und Kindergesundheits-Magazinen) ging bis jetzt auch noch jedes Mal nach hinten los. Sie fanden die Paprika-Gurken-Oliven-Smileys zwar lustig, aber das hieß noch lange nicht, dass sie deswegen gegessen wurden.

Und dann kommt Nonno (mein Papa) und spielt mit den Kindern Essen wegzaubern. Hokus Pokus Fidibus, Bissen in den Mund und „weggezaubert“! Was meine zwei Großen da plötzlich alles verschwinden ließen! Kohlrabi, Kartoffeln, Zucchini, sogar die seit jeher verschmähten Karotten wurden auf einmal Teil des Zauberkunststücks und mit stolzem Blick gefuttert. Man muss also anscheinend nur kreativ werden. 

Problem beim Spielen mit dem Essen: Es artet irgendwann aus und ich hab nicht immer die Kraft, den Kids spielerisch Gemüse schmackhaft zu machen. Aber wenn ich dann wieder höre und sehe, was andere Kinder in diesem Alter so essen (McDonalds, etc.) denke ich mal wieder einen meiner Lieblingsgedanken: Es könnte viel schlimmer sein!

Aber warum essen Kinder eigentlich so ungern Gemüse?

Warum isst mein Kind kein Gemüse?

Kurz gesagt: Das haben sie in den Genen. Und zwar leider nicht in ihren Ich-kann-immer-alles-im-Supermarkt-kaufen-Genen, sondern in ihren Ich-muss-die-Steinzeit-überleben-Genen. Sie lieben Süßes, weil süß niemals giftig sein kann. Sie lieben fettige und eiweißreiche Kost, weil diese sie sicher über die nächste Hungersnot bringt. Sie verschmähen Grünes, Saures oder Bitteres, weil sie im Dschungel schnell etwas Verdorbenes, Unverträgliches oder gar Tödliches erwischen könnten.

Auch die Angst vor Neuem ist angeboren. Unbekanntes sollte man deshalb mal lieber nicht probieren, es könnte ja giftig sein. Vor allem, wenn es dann noch grün ist oder ein bisschen bitter schmeckt (auf den frisch gebauten Geschmacksnerven von kleinen Kindern schmeckt JEDES Gemüse bitter) ist ihre erste Reaktion: „Halt mir das bloß vom Leib!“

Vielleicht probieren sie es, wenn sie regelmäßig (einmal reicht bei Weitem nicht) gesehen haben, dass erwachsene Bezugspersonen oder Geschwister dieses komische Zeug essen und erstens immer noch leben und es ihnen zweitens scheinbar sogar schmeckt. Vielleicht aber auch nicht.

Kinder sehen ihre Ernährung nämlich ziemlich pragmatisch: Warum sollte ich mir etwas anderes aussuchen, wenn ich schon genau weiß, was mir gut tut und was ich lecker finde? Ein Extrembeispiel lieferte unsere damals 4jährige Tochter. Sie schaffte es, am zwei Kilometer langen Hotelbuffet zwei Wochen lang jeden Tag Nudeln mit Soße zu essen. Jegliche Überzeugungsversuche, doch auch einmal etwas anderes zu probieren, waren komplett sinnlos.

Die angeborene und trotzdem für Eltern oft herausfordernde Sorgfalt bei der Nahrungswahl hat Kinderarzt und Autor Herbert Renz-Polster in seinem Buch „Kinder verstehen“ und auf seinem Blog besonders ausführlich beschrieben. Vor allem auch, dass Kinder durch Druck, Zwang und Stress beim Essen eher eine Essstörung entwickeln, als unter Vitaminmangel leiden.

Deshalb sehen wir das Thema Ernährung mittlerweile sehr gelassen. Auch unsere Kinder sind zurzeit in der Phase, wo sowohl Gemüse als auch Obst nicht unbedingt ganz oben auf ihrem Speiseplan steht. Der tägliche Frühstücksbrei aus Haferflocken, Leinsamen, Braunhirse, Sonnenblumenkernen und anderen hochwertigen Zutaten mildert meine Sorge ebenfalls ein wenig, dass die Ernährung meiner Kinder komplett nach hinten losgeht. Beide Kids sind quietschfidel, weder über- noch untergewichtig und selten krank. Also so falsch kann dieser Zugang die letzten 5 bzw. 7 Jahre nicht gewesen sein.

Unsere Kinder dürfen auch über Süßigkeiten selbst entscheiden

Echt jetzt? Süßigkeiten auch???

Ich wiederhole: Unsere Kinder dürfen essen was sie wollen und wie viel sie wollen. Das gilt auch für Süßigkeiten. Von Weihnachtskeksen bis zu Gummibärchen. Die einzige Einschränkung besteht darin, dass es kurz vor dem Essen und nach dem Abendessen keine Süßigkeiten mehr gibt. Ansonsten sagen wir nie Nein zu Kuchen, Schoko, Eis und Co.

Bis jetzt war das noch nie ein Problem. Vor allem der Große braucht Süßigkeiten scheinbar nicht wirklich. Von sich aus kommt er selten auf die Idee, sich etwas Süßes zu holen. Meistens muss ihn jemand anderes daran erinnern. Zum Beispiel seine Schwester. Als sie noch nicht groß genug war, um die Türschnalle zu erreichen, hat sie ihren großen Bruder geheimnisvoll flüsternd daran erinnert, dass es jetzt Zeit wäre, ihr die Tür zum Speisekammerl aufzumachen und das Licht aufzudrehen. Dann schnappen sich beide ein Stück aus ihrem Körbchen (das sich den ganzen Tag über in ihrer Reichweite befindet). Der Große beißt zweimal von einem Stück Schokolade ab, dann hat er genug.

Unsere Tochter futtert da schon etwas kräftiger, aber ich bin zuversichtlich, dass sie auch selber weiß, wie viel ihr gut tut. Hin und wieder musste ich schon wegschauen, wenn sie eine halbe Tafel Schokolade verputzt oder sich das dritte Eis am Tag genehmigt. Aber dann gibt es wieder Tage oder sogar Wochen, in denen Süßigkeiten überhaupt nicht angerührt werden. Wenn es keine fixen Zeiten gibt, zu denen „genascht werden darf“ (zum Beispiel immer nach dem Mittagessen), wird der Zuckerschub auch nicht zur Gewohnheit und tatsächlich vergessen sie auch oft einfach darauf, Süßes zu essen.

Meine Hoffnung, dass die ständige Verfügbarkeit die Süßigkeiten weniger interessant macht, scheint sich zu erfüllen. Und dass uns damit die Horrorgeschichten erspart bleiben, die meine Nachbarin als ehemalige Kindergärtnerin zu erzählen weiß. Unter anderem handeln diese von einem Mädchen, welches sich im Kindergarten solange mit Schokolade-Kuchen vollstopfte, bis sie sich übergeben musste. Den durfte sie zuhause nämlich nie essen. Und das soll nun gesund sein? 

Es geschah erst einmal, dass unsere Kinder heimlich Schokolade genascht haben. Wir haben dies thematisiert, klargemacht, dass das nicht ok ist und damit war die Sache im wahrsten Sinne des Wortes gegessen.

Das Portal der Kinder- und Jugendhilfe sieht das ähnlich: Selbst zu entscheiden, was und wieviel man isst, fördert die Ernährungskompetenz. Und zwar schon ganz von Anfang an. Denn so manch Übergewicht entwickelt sich, weil man im Kindesalter verlernt hat, in sich hinein zu spüren, ob man überhaupt noch hungrig ist. Oder „ungesundes“ Essen als Belohnung eingesetzt wurde und man dies später immer noch so wahrnimmt — und damit auch handhabt. Oder auf (gemeinsames) Essen zu wenig Wert gelegt wurde und man ständig einfach so nebenbei her gemampft hat.

Kinder wissen, was gut für sie ist

Was ich mit diesem Artikel eigentlich vor allem transportieren möchte: Kinder wissen von sich aus, welche Nahrungsmittel ihnen gut tun und welche nicht. Und Essen soll Genuss bedeuten und nicht zum Zwang werden.

Wenn man sie selber entscheiden lässt, werden sie sich gesund ernähren. Und Spaß am Essen haben. Vorausgesetzt, sie haben die richtigen Vorbilder und ausreichend Möglichkeiten dazu. Wenn sie ständig beobachten, wie Papa vorm Fernseher Chips futtert und Mama nebenbei immer Schokolade knabbert werden sie diese Verhaltensweisen übernehmen. Und gewisse Dinge wie zuckerhaltige Soft Drinks oder Fast Food gibt es bei uns zuhause einfach nicht. Auch nicht für die Erwachsenen.

Sind wir wieder soweit: Verbote, schimpfen und strafen haben noch nie funktioniert. Und Druck auch nicht. Was wir bei Tisch unbedingt vermeiden:

  • Dass unsere Kinder aufessen müssen.
  • Dass unsere Kinder essen müssen „was auf den Tisch kommt“.
  • Dass unsere Kinder etwas Unbekanntes kosten müssen.
  • Dass unsere Kinder essen müssen, wenn sie eigentlich keinen Hunger haben.
  • Dass Gemüse als Strafe und der Nachtisch als Belohnung gesehen wird.

Stattdessen:

  • dürfen unsere Kinder essen was und wieviel sie möchten.
  • dürfen sie herum experimentieren und mit dem Essen spielen (solange es auf dem Teller bzw. das Wasser im Glas bleibt und wir danach nicht die gesamte Küche saubermachen müssen).
  • dürfen sie beim Zubereiten schon naschen (ich habe das auch immer geliebt und liebe es heute noch).
  • dürfen sie mitbestimmen, was gekocht wird und was auf die Einkaufsliste kommt.

Und langsam aber sicher entwickelt sich das Interesse unserer Kids an Gemüse und Kräutern. Vor allem an Kräutern, die sie selbst anbauen. Und dann passierte es, dass ein Freund der Familie im gemeinsamen Urlaub unserem damals 5jährigen Sohn drohte: „Wenn du nicht im Bett bleibst, gibt’s morgen zum Frühstück Brokkoli statt Nutella!“ Und unser Großer ihn nur völlig verständnislos anschaute und antwortete: „Ich mag Brokkoli!“

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Bibi F.
Bibi F.
Früher waren es Kundenprojekte - nun begleite ich das tägliche Chaos mit zwei Kindern zwischen Kampfansagen und Kuschelattacken. Vom klassischen Erziehungs-Gedanken habe ich mich längst verabschiedet. Als Berufs-Bloggerin schreibe ich mir im gnadenlos ehrlichen Familienblog Erfahrungen, Einfälle und Emotionen von der Seele.

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